Am 29.1.2022 fand der Klausurtag für die Kirchengemeinderäte von St. Josef, St. Theresia und Salvator (Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Nordwest ) statt. Es ging dabei um die Aufgaben und Arbeitsweisen des KGR. In die Überlegungen drängte sich jedoch immer wieder die aktuelle Gesamtsituation der katholischen Kirche, die durch die Missbrauchsskandale massiv an Glaubwürdigkeit verloren hat. In dieser Situation kann man nicht einfach weitermachen wie bisher. So entstand die Idee, sich in einem offenen Brief an die Gemeinde und die Öffentlichkeit zu wenden. Sowohl die Kirchengemeinderäte von St. Josef wie diejenigen von St. Theresia haben nun einen Brief verfasst. Wir freuen uns, wenn diese Briefe Gespräche und Diskussionen anstoßen. Wie kann es weitergehen mit der katholischen Kirche?
Offener Brief der Kirchengemeinderäte von St. Josef
Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche zieht uns Katholiken und Katholikinnen den Boden unter den Füßen weg.
Das Leid der Opfer ist schockierend und kaum zu ermessen. Nicht genug, dass sie von Priestern missbraucht wurden. Die Verantwortlichen in der Kirche haben die Täter und nicht die Opfer geschützt. Sexuelle Gewalt von Amtsträgern wurde vertuscht, weil die fromme Fassade der Kirche wichtiger war als das Leid der Betroffenen. Erschüttert von dem Ausmaß dieses Skandals wenden sich viele Katholiken und Katholikinnen von der Kirche ab und nachvollziehbar treten sie aus.
Wie geht es damit den Priestern und pastoralen Mitarbeiter*innen sowie allen Haupt- und Ehrenamtlichen, die sich in der Kirche und für die Kirche engagieren? Den vielen, die sich redlich und mit hohem menschlichen Einsatz bemühen, die Frohe Botschaft Jesu zu verkünden?
Wie geht es den Gläubigen, die trotz dieser Skandale ihren Glauben an Jesus Christus und seine Botschaft nicht aufgeben wollen? Die sich aus ihrem Glauben heraus für andere einsetzen und in ihrer Kirche engagiert haben? Die in ihrer Kirche bisher eine Heimat für ihren Glauben gefunden haben?
Der totale Vertrauensverlust in die „heilige“ katholische Kirche trifft uns alle. Dazu kommen die Scham, zu dieser katholischen Kirche zu gehören, und nicht zuletzt die wachsenden Zweifel am Wert des eigenen Tuns im Dienst der Kirche.
Daher wollen wir eine Kirche, die nicht länger vertuscht sondern ihre Verantwortung für die Opfer übernimmt.
Wir wollen eine Kirche, die sich endlich reformiert und sich am Maßstab Jesu orientiert.
Wir wollen zugleich unseren Glauben in unserer Kirche und in unserer Gesellschaft leben, ohne pauschal mit dem Missbrauchsskandal identifiziert zu werden.
Wir wollen daher auch unsere Solidarität mit denen zum Ausdruck bringen, die dieser Skandal in eine tiefe Glaubens-und Lebenskrise gestürzt hat.
Schon seit vielen Jahren drängen viele Initiativen in der kath. Kirche auf Veränderung. Die aktuellen Beschlüsse des synodalen Weges machen Mut. Jetzt ist die Zeit zum Handeln!
Katrin Gaiser, KGR-Vorsitzende
Mechthild Alber, Bernhard Cornelius, Traudl Himmel, Harald Hubl, Susanne Kempf, Matthias v. Laufenberg, Brigitte Rückert, Ronald Seeber, Dr. Karl-Georg Thomas
Mitglieder im KGR von St. Josef